BGB §§ 138, 157, 242, 311b, 883
1. Teilt der Veräußerer einer Eigentumswohnung den Erwerbern wenige Tage vor der vertraglich geschuldeten Fälligstellung des Kaufpreises mit, dass die Eintragung der Auflassungsvormerkung wegen Fehlern in der Teilungserklärung nicht möglich ist, und bietet er diesen in Kenntnis, dass ihre bisherige Mietwohnung bereits gekündigt ist und eine Schwangerschaft besteht, für die Überlassung der Eigentumswohnung bis zum Besitzübergang durch Kaufpreiszahlung den Abschluss eines Mietvertrags unter der Bedingung an, dass die Erbwerber auf sämtliche Schadensersatzansprüche wegen der Eintragungsverzögerung verzichten, sind der Mietvertrag und die Verzichtserklärung wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig.*)
2. Der Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Leistung bei Grundstückskaufverträgen unterliegt bis zum Vollzug der Auflassung der Beurkundungspflicht gem. § 311b BGB (BGH, Urteil vom 08.04.1988 – V ZR 260/86, NJW 1988, 3263 [3262]).*)
3. Die Gerichte sind von Amts wegen verpflichtet, Feststellungen dahingehend zu treffen, ob der Anwendungsbereich der EU-Klausel-Richtlinie 93/13/EWG eröffnet ist. Sie haben hierzu Nachforschungen anzustellen und Informationen zur Vervollständigung der Akte einzuholen Die Beibringungsgrundsätze der Prozessordnungen der Mitgliedstaaten werden insoweit überlagert (EuGH, Urteil vom 07.12.2023 – Rs. C-140/22, SM ua/mBank S. A., NZM 2024, 157 [158]; EuGH, Urteil vom 11.03.2020 – Rs. C-511/17, L./UniCredit-Bank Hungary Zrt), IBRRS 2020, 0926 = EuZW 2020, 673 [675]; EuGH, Urteil vom 09. 11. 2010 – Rs. C-137/08, VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider, EuZW 2011, 27; entgegen BGH, Beschluss vom 30.01.2024 – VIII ZB 43/23, IBRRS 2024, 0815 = IMRRS 2024, 0359 = NZM 2024, 325).*)
4. Im Fall einer Klauselunwirksamkeit nach Art. 7 Richtlinie 93/13/EWG scheidet die Ersetzung einer hierdurch auftretenden Lücke der Vereinbarung durch Anwendung von Vorschriften, die Grundsätze von Treu und-Glauben beinhalten, also insb. §§ 157, 242 BGB, aus (EuGH, Urteile vom 08.09.2022 – Rs. C-80/21, Rs. C-81/21, Rs. C-82/21, NZM 2022, 838 [843]; EuGH, Urteil vom 03.10.2019 – C-260/18, Dziubak u.a./Raiffeisen Bank International AG, prowadzący działalność w Polsce w formie oddziału pod nazwą, EuZW 2020, 246).*)
AG Hanau, Urteil vom 15.03.2024 – 32 C 243/21
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.549,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Mietzahlungen.
Die Klägerin ist eine Bauträgergesellschaft. Die Parteien schlossen am 22.8.2018 einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung im 1. Obergeschoss des streitgegenständlichen Anwesens (Anl. K24, Bl. 161 f. d.A.). Der Kaufpreis beträgt 130.000,00 €.
Die Beklagten hatten vor Vertragsschluss ein Darlehen über 118.000,00 € bei der Bank aufgenommen (vgl. Bestätigung vom 15.1.2018, Bl. 74 d.A.).
Ausweislich der Regelung Nr. 2 des Kaufvertrags haben die Parteien als Übergabedatum den 1.4.2018 vereinbart, frühestens jedoch nach Zahlung des Kaufpreises.
Gem. der Regelung Nr. 6 des Kaufvertrags ist die Kaufpreiszahlung spätestens 8 Tage nach der entsprechenden Fälligkeitsmitteilung des Notars zur Zahlung fällig. Diese erfolgt nach Eintritt der dort nachstehend aufgeführten Bedingungen, zu denen gem. lit. a) die Eintragung der Vormerkung zugunsten der Beklagten in das Grundbuch gehört.
Das Grundbuchamt lehnte sodann die Eintragung der Vormerkung für die streitgegenständliche Wohnung ab, weil diese in dem Kaufvertrag mit der Nr. 4 links angegeben ist („spiegelverkehrte Nummerierung“, vgl. klägerischer Schriftsatz vom 21.6.2022, S. 2, Bl. 130 R d.A.), so dass eine Eintragung über die von den Parteien tatsächlich gemeine Wohnung rechts nicht möglich sei.
Der bisherige Mietvertrag der Beklagte war zum 1.4.2018 beendet. Im März 2018 haben die Beklagten die Klägerin angesichts der Beendigung ihres Mietvertrags gebeten, schon vor Fälligstellung die Wohnung beziehen zu können. Dies hat die Klägerin abgelehnt, da es hierfür „keine rechtliche Grundlage“ gebe (Schriftsatz vom 23.5.2022, S. 3, Bl. 104 d.A.).
Vielmehr hat die Klägerin den Beklagten die Unterzeichnung einer von der Klägerin vorgelegten (vgl. unbestrittener Beklagtenvortrag im Schriftsatz vom 18.3.2022, S. 3, Bl. 54 d.A.) Vereinbarung angeboten, welche sodann am 16.3.2018 auch geschlossen wurde, da eine Eintragung der Vormerkung durch das Grundbuchamt vorerst nicht erfolge und daher eine Übergabe zum 1.4.2018 nicht möglich sei (so auch der Einleitungstext der Vereinbarung Anl. K1, Bl. 7 d.A.).
Ausweislich der Vereinbarung wird zwischen den Parteien aufgrund der Grundbuchsituation ein – separater (Anl. K2) – Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen. Die Miete hierfür beträgt 500,00 € monatlich, wobei es sich um eine bereits von 620,00 € reduzierte Miete handele. Die Beklagten verzichten „im Gegenzug“ auf sämtliche Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin aufgrund der verspäteten Eintragung der Auflassungsvormerkung und der hierdurch verzögerten Kaufpreiszahlung sowie Eigentumsüberschreibung an der Wohnung.
Mit Schreiben vom 26.6.2018 haben die Beklagten die Anfechtung der Vereinbarung erklärt (Anl. B1, Bl. 67 d.A.).
Mit Schreiben vom 11.10.2018 (Anl. B2, Bl. 72 d.A.) haben die Beklagten die Aufrechnung der ihnen entstandenen monatlichen Finanzierungskosten in Höhe von 295,00 € für die Mieten seit April 2018 erklärt und der Klägerin zudem mitgeteilt, weiterhin auch die zukünftigen Mieten nur unter Abzug der ihnen zugleich in dieser Höhe entstandenen monatlichen Kosten zu leisten. Mit der Klageerwiderung haben sie erneut die Aufrechnung erklärt.
Die Klägerin fordert für den Zeitraum Mai 2018 bis März 2019 von den Beklagten monatlich 295,00 €, für den Zeitraum April 2019 bis März 2022 von den Beklagten jeweils 320,00 €, für die Monate April bis Juni 2022 monatlich jeweils 345,00 € sowie Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen 2018 (1.386,93 €), 2019 (1.830,08 €), 2020 (1.958,24 €) und 2021 (2.139,77 €).
Sie verweigert zudem nunmehr die Nachbeurkundung des Kaufvertrags, welche erforderlich ist, um den Eintragungsmangel zu beheben, unter Hinweis auf die „ungeklärte Situation“ in diesem Verfahren (Schriftsatz vom 13.10.2022, S. 3 oben, Bl. 208 d.A.).
Die Klägerin trägt vor, sie hätte eine solche Vereinbarung zuvor noch nicht verwendet. Die Beklagten hätten auch Kenntnis davon gehabt, dass die Nummerierung der Wohnungen unzutreffend sei. Die Situation sei für sie völlig überraschend gewesen, da es vergleichbare Probleme bereit früher gegeben haben, das Grundbuchamt die Eintragung jedoch niemals verweigert hätte. Sie ist der Ansicht, den Beklagten sei die Aufrechnung mit Gegenansprüche aus Schadensersatz aufgrund der Vereinbarung vom 16.3.2018, jedenfalls aber der Regelung in § 7 des Mietvertrags nicht möglich.
Sie ist weiterhin der Auffassung, die Beklagten hätten sich bei Abschluss der Vereinbarung nicht in einer Zwangslage befunden, insbesondere sei die Beklagten zu 2) noch nicht in einem fortgeschrittenen Schwangerschaftszustand gewesen. Auch würden die Beklagte das Risiko der Finanzierungs- und Vorhaltungskosten tragen, weil sie die Finanzierung bereits vor Abschluss des Kaufvertrags abgeschlossen hätten.
Die Klägerin ist schließlich der Auffassung, die Beklagten hätten keinen Anspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Wohnung, weil in dem notariellen Kaufvertrag nicht diese (rechts), sondern eine andere (links) aufgeführt ist. Daher sei ihr die Leistung gem. § 275 BGB unmöglich, weshalb die Beklagten weder Schadensersatzansprüche geltend machen könnten, noch die Verweigerung der Neubeurkundung rechtswidrig sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den die Klägerin 19.000,25 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 295,00 € seit dem 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2018; 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2019; 01.01., 01.02. und 1.3.2020; aus jeweils 320,00 € seit dem 1.4., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2020; 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11. und 1.12.2021; 01.01.2020, sowie aus 1.386,93 € seit dem 21.5.2020, aus 1.830,08 € seit dem 11.6.2020 und aus 1.958,24 € seit dem 20.8.2021;
die Beklagten weiterhin als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 3.789,77 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 320,00 € seit dem 01.02., 1.3.2022, aus jeweils 345,00 € seit dem 1.4., 1.5. und 1.6.2022 sowie aus 2.139,77 € seit dem 1.6.2022 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, die Vereinbarung hinsichtlich des Verzichtes auf Schadensersatzansprüche sei sittenwidrig. Auch wäre das vertragliche Aufrechnungsverbot unwirksam. Zudem seien die Betriebskostenabrechnungen formell nicht ordnungsgemäß.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mieten und Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen. Denn der Mietvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) sowie wegen des Mangels einer gem. § 311b BGB erforderlichen Beurkundung der Schadensersatzverzichtserklärung als verbundenes Geschäft nichtig. Soweit der Klägerin bereicherungsrechtliche Ansprüche zustehen, haben die Beklagten gegen diese mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet.
1. Nichtigkeit des Mietvertrags wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)
Der Mietvertrag ist gem. § 138 BGB sittenwidrig, denn die Klägerin hat sich in einer von ihr selbst herbeigeführten Zwangslage der Beklagten als Gegenleistung sowohl Mietzahlungen als auch den Verzicht auf Schadensersatzansprüche versprechen lassen, wobei diese Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu der ihrerseits geleisteten Besitzübergabe stehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet ein grobes Missverhältnis zwischen den in einem gegenseitigen Vertrag vereinbarten Leistungspflichten die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten, die nach § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des vereinbarten Vertrags führt. Diese Vermutung beruht auf dem Erfahrungssatz, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden und dass der Begünstigte diese Erfahrung teilt. Die Vermutung erstreckt dabei sowohl darauf, dass Umstände vorliegen, die die freie Entschließung des Benachteiligten beeinträchtigt haben, als auch darauf, dass der Begünstigte sich diese Situation zunutze gemacht hat. Es ist die eigene Aufgabe des Gerichts, anhand der objektiven Umstände des Verfahrensinhalts diese einer entsprechenden Wertung zu unterziehen und hierüber ggf. in die Feststellung zu gelangen, ob die Vermutungswirkung greift. Der Begünstigte muss sodann die Vermutung widerlegen (vgl. beispielhaft BGH, Hinweisbeschluss vom 14.6.2017 – III ZR 487/16, NJW-RR 2017, 1261; BGH, Urteil vom 29. 6. 2007 – V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 [2841]; BGH Urt. v. 5.3.2010 – V ZR 60/09, BeckRS 2010, 9044 = ZNoP 2010, 303 Rn. 16; BGH, Urteil vom 19. 1. 2001 – V ZR 437/99; NJW 2001, 1127 1. und 2. Ls.; BGH, Urteil vom 08-02-1994 – XI ZR 77/93, NJW 1994, 1275 [1275]; BeckOGK/Jakl, 1.1.2024, BGB § 138 Rn. 716; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 138 Rn. 215).
Ein solches Missverhältnis liegt hier einerseits vor, weil sich aus dem Vertrag nicht erschließt, weshalb die Beklagten „im Gegenzug“ für den vorstehend vereinbarten Mietvertrag auf sämtliche Schadensersatzansprüche aufgrund der allein dem Verantwortungsbereich der Klägerin als Verkäuferin zuzuordnenden Verzögerung der Vormerkungseintragung und damit der Kaufpreisfälligstellung sowie insgesamt der Vertragsdurchführung verzichten sollten. Diese stehen mit dem Mietvertrag selbst in keinem Zusammenhang, weil die Beklagten hierfür als Gegenleistung Miete zahlen, sie stehen – den Vertragsinhalt allein zugrunde gelegt – auch bei einem Kaufpreis von 130.000,00 € unter anderem in Bezug auf die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen für die Finanzierung in keinem erkennbaren wirtschaftlichen oder überhaupt nachvollziehbaren Verhältnis zu dem Erhalt des Mietvertrags. Das gilt auch für den Mietvertrag selbst, der nach der Vereinbarung vom 16.3.2018 schon nach dem Klägerwillen mit der Verzichtserklärung verknüpft ist und mit dieser steht und fällt.
Der hiergegen klägerseits erbrachte Vortrag, der so auch in der Vereinbarung vom 16.3.2018 und § 17 des Mietvertrags wiedergegeben ist, die Beklagten würden für den Verzicht auf sämtliche Schadensersatzansprüche im Gegenzug eine Ermäßigung der Miete in Höhe von 120,00 € erhalten, kann das nicht begründen. Denn die Mietpreiskalkulation folgt allein aus dem Geschäftsbereich des Vermieters, sowohl, was die Bewirtschaftungskosten (vgl. §§ 24 ff. II. BerechnungsVO) als auch eine mögliche Gewinnerzielung betrifft.
Ob die vereinbarte Nettomiete von 500,00 € also überhaupt eine reduzierte Miete darstellt und falls ja, in welchem tatsächlichen Verhältnis sie zu einer höheren Miete steht, ist weder ersichtlich, noch kann dies von den Beklagten bei Vertragsschluss festgestellt werden, weil diese die klägerischen Kalkulationsgrundlagen und üblichen Mietvertragsabschlüsse nicht kennen. Die schlichte Behauptung, es habe eine Mietreduktion stattgefunden, kann daher deren tatsächlichen wirtschaftlichen Hintergrund und somit Qualität als Gegenleistung für den Verzicht auf Schadensersatzansprüche ebenso wenig begründen, wie die Niederschreibung in der Vereinbarung. Für die Wertung des § 138 BGB kommt es schon von der Natur der Norm her allein auf das tatsächliche wirtschaftliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung an.
Abgesehen davon stellt die vertraglich festgehaltene Mietreduktion sowohl in der Vereinbarung als auch in dem am selben Tag geschlossenen Mietvertrag, die in letzterem zudem als Abs. 1 (von 2) unter § 17 eingefügt ist, eine allgemeine Geschäftsbedingung dar (dazu siehe weiter unten), welche für die tatsächliche Kalkulation keine Relevanz hat und zudem eine unwirksame Tatsachenbestätigung gem. § 309 Nr. 12 BGB enthält.
Hinzu kommt, dass andererseits ohnehin nicht ersichtlich ist, weshalb die Parteien hier überhaupt einen Mietvertrag gem. § 535 BGB anstatt eines Leihvertrags gem. § 598 BGB geschlossen haben, nach welchem die Beklagten die Hausgeldkosten ebenfalls hätten zahlen müssen (vgl. LG Hanau Hinweisbeschluss v. 15.4.2019 – 2 S 140/18, BeckRS 2019, 46506; AG Hanau Urt. v. 4.9.2018 – 91 C 150/17 (91), BeckRS 2018, 46487; BeckOK BGB/Zehelein, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 535 Rn. 29), was der wirtschaftlichen Situation einer rechtzeitigen Erfüllung durch die Klägerin entsprechen würde.
Stattdessen sind die Beklagten hier wirtschaftlich benachteiligt, namentlich im Umfang eines klägerseits ggf. erzielten Gewinns, der zumindest auf den Kaufpreis hätte angerechnet werden müssen.
Denn es lag allein in der Verantwortung der Klägerin, die Voraussetzungen für die Durchführung des Vertrags und somit insbesondere zunächst die Eintragung der Vormerkung zu schaffen. Sie hat die Verzögerung auch zu vertreten (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4 BGB). Die Klägerin schuldet die Herstellung der Fälligkeitsvoraussetzungen zu dem vereinbarten Datum, jedenfalls aber so schnell wie möglich (§ 271 Abs. 1 BGB). Als Verkäuferin ist sie auch für die zutreffende Bezeichnung des Kaufgegenstands in dem Kaufvertrag verantwortlich, da es sich um ihre Liegenschaft handelt. Dafür, dass sie die Fehlbezeichnung nicht zu vertreten hätte (§§ 280 Abs. 1, S. 2, 286 Abs. 4 BGB), ist nichts ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Im Gegenteil trägt sie selbst vor, dass es zu derartigen Situationen schon früher gekommen und sie daher auch in diesem Fall trotz Kenntnis bei Vertragsschluss (vgl. klägerischer Schriftsatz vom 21.6.2022, S. 2, Bl. 130 R d.A.) davon ausgegangen sei, dass die Eintragung der Vormerkung ohne Verzögerung erfolge. Die Klägerin hat durch die fehlerhafte Bezeichnung des Kaufgegenstandes das Eintragungshindernis also nicht nur selbst herbeigeführt, sie wusste auch um die diese bei Unterzeichnung des Vertrags.
Daher hätte sie sich zwingend und gerade angesichts des kurzen Zeitrahmens rechtzeitig vor Vertragsschluss mit dem Grundbuchamt in Verbindung setzen und die Frage der Eintragungsfähigkeit klären müssen. Weiterhin oblag es der Klägerin, das Ergebnis der Nachfrage bei dem Grundbuchamt den Beklagten vor Vertragsschluss mitzuteilen, jedenfalls aber, dass sie keine Informationen eingeholt hat. Dass die Ablehnung der Eintragung für die Klägerin „völlig überraschend“ kam, zeigt hingegen, dass sie keine Anstrengungen unternommen hat, die Erteilung von erforderlichen Genehmigungen, etc. Dritter bzw. insgesamt die Wirksamkeit oder Durchführbarkeit des Vertrags vorher sicherzustellen, wozu sie jedoch gem. § 311 Abs. 2 BGB verpflichtet war (vgl. nur MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl. 2022, BGB § 311 Rn. 73 f.; BeckOGK/Herresthal, 1.9.2023, BGB § 311 Rn. 376 f.).
Zudem widerspricht sich die Klägerin selbst, wenn sie einerseits vorträgt, die hätte mit der Ablehnung der Vormerkungseintragung durch das Grundbuchamt nicht rechnen können, anderseits aber meint, die Beklagten würde ein (wohl) Mitverschulden treffen, da sie vermeintlich von eben diesem Kenntnis gehabt hätten. Die entsprechende Regelung in der Vereinbarung, dass den Beklagten die Umstände bei Vertragsschluss bekannt gewesen seien, ist ohnehin gem. §§ 307 Abs. 1 S. 1, 309 Nr. 12 BGB unwirksam (zur AGB-Eigenschaft der Klausel siehe weiter unten).
Die durch die Verzögerung der Eintragung dem Käufer entstehenden Schäden hat der Verkäufer diesem zu ersetzen (§§ 286, 249 BGB) worunter auch die Kosten der Inanspruchnahme einer Ersatzunterkunft fallen, wobei sich der Käufer allein die ersparten Wohngelder anrechnen lassen muss (KG Urt. v. 15.5.2018 – 21 U 90/17, BeckRS 2018, 9634 = MDR 2018, 928 Rn. 59 f.; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 63). Warum die Klägerin also hier den Beklagten lediglich angeboten habe, einen Mietvertrag abzuschließen, obwohl diese jedenfalls dem Grunde nach sogar umgekehrt einen Anspruch auf Ersatz von Anmietkosten aufgrund des Verzugs der Klägerin mit der Kaufvertragserfüllung haben, anstatt dass sie im Zug etwa eines Leihvertrags gem. §§ 598, 601 BGB schlicht die laufenden Bewirtschaftungskosten (bei Sondereigentum in der Regel die diese enthaltenden Wohngelder) tragen oder die Miete auf diese reduziert ist, ist nicht ersichtlich und verstärkt aus zunächst objektiver Sicht, welche das Gericht für die Prüfung des § 138 BGB gerade für die anknüpfenden Anscheinstatbestände selbst anzuwenden hat (BeckOGK/Jakl, 1.1.2024, BGB § 138 Rn. 731; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 138 Rn. 215), die Divergenz zwischen Leistung und Gegenleistung.
Im Übrigen hätte es der Klägerin auch freigestanden – und wäre angesichts der von ihr verursachten Fehlbezeichnung und damit Eintragungs- und somit auch Vertragsvollzugsverzögerung auch geboten gewesen -, der Beklagten den Besitz freiwillig vor der Fälligstellung durch den Notar zu überlassen. Denn wie die Klägerin selbst vorträgt, haben die Beklagten sie angesichts der Beendigung ihres Mietvertrags gebeten, schon vor Fälligstellung die Wohnung beziehen zu können. Eben dies hat die Klägerin jedoch abgelehnt und dieses mit der auch jetzt noch vertretenen Auffassung begründet, dass es hierfür „keine rechtliche Grundlage“ gegeben habe (Schriftsatz vom 23.5.2022, S. 3, Bl. 104 d.A.). Dass es ihr allerdings auch möglich gewesen wäre, die Beklagten auch ohne rechtliche Verpflichtung die Wohnung schon beziehen zu lassen, oder jedenfalls dieses über einen Leihvertrag zu arrangieren, schien offensichtlich keine Option gewesen zu sein. Das offensichtlich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Verzögerung der Fälligstellung des Kaufpreises allein ihr Verschulden war (und nach wie vor ist). Stattdessen entschied sich die Klägerin erkennbar, anstelle der Erstattung von Ersatzwohnkosten an die Beklagten selbst Gewinn aus der Situation zu schlagen, und das über den Abschluss eines Mietvertrags, was sie sodann als „Entgegenkommen“ bezeichnet (Schriftsatz vom 23.5.2022, ebenda). Tatsächlich beruht die Vereinbarung ausweislich ihres Textes auch nicht auf einem solchen, sondern ist, so deren einleitenden Worte, bedingt durch die Verzögerung der Eintragung, was also der tatsächliche Grund für diese ist.
Unklar ist, was die Klägerin aus dem Vortrag herleiten möchte, die Beklagten hätten (was diese bestritten haben) „bei Vertragsschluss“ gewusst, dass die Bezeichnungen der Wohnungen vertauscht waren (Schriftsatz vom 30.8.2022, S. 3, Bl. 159 d.A.). Denn selbst das hätte die Klägerin nicht von ihren vertraglichen Pflichten entbunden, die sie durch Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrags eingegangen ist. Das ist Ausdruck und Folge der Privatautonomie.
Dass, wie die Klägerin aber meint, der Kaufvertrag selbst nicht gem. § 275 BGB unwirksam ist, weil die Parteien versehentlich eine unzutreffende Bezeichnung der Wohnung verwendet haben (bzw. die Klägerin, welche als Verkäuferhin ihre Liegenschaft richtig bezeichnen muss), bedarf keiner vertieften Erörterung.
Insofern besteht ein erhebliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung in Bezug auf den Verzicht auf Schadensersatzansprüche und den Mietvertrag selbst. Hinzu kommen weitere objektive Bedingungen, die grundsätzlich in die Wertung einzustellen sind, wie etwa die Schwangerschaft der Beklagten zu 1) als auch der Verlust der zuvor bewohnten Mietwohnung. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, welchen Unterschied der Vortrag der Klägerin mache solle, dass die Beklagten die Wohnung nicht selbst gekündigt hätten, sondern vielmehr aufgrund des Räumungsurteils zum 28.2.2018 ausziehen mussten. Das würde allenfalls für einen stärkeren Abschlusszwang der Beklagten sprechen, zumal die von § 138 Abs. 2 BGB erfasste Zwangssituation von der geschützten Partei nicht unvertretbar entstanden sein muss. Dass, wie die Klägerin weiterhin meint, die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) zu dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft gewesen sei, eine Relevanz haben solle – vermutlich für die Zwangslage hinsichtlich der bevorstehenden Obdachlosigkeit-, kann wohl kaum Ernsthaftigkeit für sich in Anspruch nehmen und stößt seitens des Gerichts auch auf wenig Verständnis.
Die Beklagten hätten andernfalls kurzfristig eine andere Wohnung hätten finden müssen und sodann, nach Durchführung des Kaufvertrags, diese wieder kündigen und erneut umziehen. Es ist auch nicht verständlich, was die Klägerin mit dem Einwand meint, die Beklagten würden bis heute in der Wohnung wohnen. Denn auf eben deren Übereignung haben sie seit fast 6 Jahren einen vertraglichen Anspruch, den die Klägerin bis heute nicht erfüllt hat und bzgl. dessen sie sich nunmehr sogar rechtswidrig weigert. Die Beklagten müssen sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie von dem Kaufvertrag hätten zurücktreten können, wenn die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt.
Als Rechtsfolge sind sowohl der Mietvertrag als auch die Verzichtsvereinbarung hinsichtlich verzugsbedingter Schadensersatzansprüche nichtig (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 138 Rn. 282).
Eine Ausnahme hiervon in Form der Kündbarkeit wird allein für Arbeits- und Gesellschaftsverträge in Betracht gezogen, ist jedoch nicht bei Mietverträgen anzunehmen, zumal die Klägerin in diesem Fall besser dastehen würde, was nicht zugesprochen werden kann (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 138 Rn. 289/290). Jedenfalls schlägt die Nichtigkeit der Verzichtsvereinbarung als verbundenes Rechtsgeschäft auf den Mietvertrag durch, da diese von der Klägerin selbst mit hiermit verknüpft wurde („im Gegenzug“, siehe auch weiter unten).
Dass die Beklagten dennoch Zahlungen leisteten, ist unbeachtlich, weil § 138 BGB nicht zur Disposition der Parteien steht. Zudem haben sie bereits frühzeitig auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung hingewiesen, diese sogar angefochten und die Zahlungen unter Vorbehalt geleistet.
2. Nichtigkeit des Mietvertrags und des Verzichts auf Schadensersatzes mangels erforderlicher Beurkundung
Der Mietvertrag ist zudem nichtig, weil er mit der Verzichtsvereinbarung verbunden ist und diese mangels erforderlicher Beurkundung gem. § 311b BGB nichtig ist.
Der Kaufvertrag vom 22.2.2018 hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnung unterlag dem Beurkundungserfordernis des § 311b BGB.
Ebenfalls der Beurkundungspflicht unterfallen nachträgliche Änderungen eines Grundstücks- bzw.- Sondereigentumskaufvertrags, wenn der Vertrag noch nicht durch Auflassung vollzogen ist und die Änderungen den Vertrag inhaltlich ergänzen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn eine nachträgliche Vereinbarung lediglich zur Beseitigung unvorhergesehener Schwierigkeiten der Vertragsabwicklung dient, ohne dass die beiderseitigen Vertragspflichten wesentlich geändert werden (BGH, Urteil vom 08-04-1988 – V ZR 260/86, NJW 1988, 3263 [3262], BGH, Urteil vom 02-10-1987 – V ZR 42/86, NJW-RR 1988, 185 (186); BGH, Urteil vom 11.11.1983 – V ZR 150/82, NJW 1984, 974BGH, Urteil vom 06-11-1981 – V ZR 138/80, NJW 1982, 434; MüKoBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, BGB § 311b Rn. 66).
Vorliegend haben die Parteien abweichend von der allgemeinen verzugsbedingten Haftung der Klägerin aus §§ 380, 286, 249 BGB einen vollständigen Haftungsverzicht vereinbart, sowohl für die Vergangenheit als auch die Zukunft. Diese Vereinbarung erfolgte auch zu einem Zeitpunkt, an dem die Auflassungen noch nicht vollzogen, vielmehr die Vormerkung noch nicht eingetragen war. Hierbei handelt es sich um eine maßgebliche Änderung des Vertrags, die somit der Beurkundungspflicht des § 311b BGB unterlag (zur Änderung der Gewährleistungsrechte vgl. BGH, Urteil vom 08-04-1988 – V ZR 260/86, NJW 1988, 3263 [3262]). Die Nichtwahrung dieser Form führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung.
Diese schlägt auf den Mietvertrag durch, weil er mit ihr steht und fällt.
Das bezieht sich bereits auf die Form des Vertrags selbst, da beide Verträge ausweislich der Vereinbarung miteinander verknüpft sind, bzw. miteinander stehen und fallen („…werden im Gegenzug keine Schadensersatzansprüche geltend machen…“). Maßgeblich für die Erstreckung der Beurkundungspflicht des formbedürftigen Rechtsgeschäfts auf das an sich nicht formbedürftige ist dabei der Verknüpfungswille der Parteien. So diese davon ausgehen, dass beide Rechtsgeschäfte derart zusammenhängen, dass sie miteinander stehen und fallen, erstreckt sich einerseits die Beurkundungspflicht auf beide Verträge (statt vieler BGH, Urteil vom 12. 2. 2009 – VII ZR 230/07, NJW-RR 2009, 953 [954]; MüKoBGB/Ruhwinkel, 9. Aufl. 2022, BGB § 311b Rn. 58 f.), zudem teilen sie gem. § 139 BGB das gemeinsame Schicksal der Nichtigkeit des jeweils anderen Vertrags, weil gerade keine Annahme vorliegt, dass eine Ausnahme von der Gesamtnichtigkeit besteht (statt vieler BGH, Urteil vom 22.9.2016 – III ZR 427/15, NJW 2016, 3525).
Damit stehen der Klägerin weder Ansprüche auf Mietzahlung noch auf Zahlung von Betriebskostennachforderungen zu.
3. Wertersatz
Die Klägerin kann jedoch Wertersatz gem. § 812 BGB für die bereits erbrachten Leistungen geltend machen. Dabei kann sie nicht den objektiven Wert der Nutzung herausverlangen, der ggf. dem einer Anmietung entsprechen würde. Denn einerseits würde damit die von § 138 BGB untersagte Rechtsfolge wiederhergestellt, andererseits sind die Beklagten in diesem Umfang ohnehin nicht bereichert. Denn sie hatten ab dem 1.4.2018 einen vertraglichen Anspruch auf mietfreie Besitzüberlassung, dessen Realisierung lediglich daran scheiterte, dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Herstellung der Fälligkeitsvoraussetzungen für die Kaufpreiszahlung nicht erfüllt hat. Bereichert sind die Beklagten allein im Umfang der von ihnen nicht zu zahlenden Wohngelder (Hausgeldkosten) für das Sondereigentum gem. § 28 WEG. Diese kann die Klägerin daher für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.4.2018 bis zum 1.1.2022 ersetzt verlangen, weil die Beklagten sie bei rechtzeitiger Fälligstellung und Besitzübertragung aufgrund der Lastenübergangsvereinbarung ab diesem Zeitpunkt und ab Eintragung im Grundbuch als Sondereigentümer hätten tragen müssen.
Für das Jahr 2018 betrugen die Hausgeldkosten 3.683,43 € (Anl. K14, Bl. 121 d.A.), also für April bis Dezember 2018 9/12 hiervon und somit 2,762,57 €.
Für das Jahr 2019 betrugen die Hausgeldkosten 4.149,89 € (Anl. K15, Bl. 122 d.A.).
Für das Jahr 2020 betrugen die geleisteten Hausgeldkosten 5.784,96 € (Anl. K4, Bl. 23 d.A.).
Für das Jahr 2021 betrugen die geleisteten Hausgeldkosten 4.572,82 € (Anl. K9, Bl. 107 d.A.).
Die Wohngeldzahlungen für die Monate Januar bis März 2022 betrugen 3 x 381,07 € = 1.143,21 €.
Damit haben die Beklagten der Klägerin insgesamt 19.334,31 € an Wertersatz herauszugeben. Hierauf haben sie in dem Zeitraum April 2018 bis Juni 2022 16.575,00 € geleistet (Schriftsatz vom 23.35.2022, S. 6, Bl. 105R d.A.: Monatlich 325.00 €), so die Beklagten vortragen, es seien 16.800,00 € geleistet worden (Schriftsatz vom 18.3.2022, S. 10, Bl. 61 d.A.), liegt hierfür kein Beweisangebot vor.
Damit verringert sich der klägerische Wertersatzanspruch auf 2.759,31 €.
An sich wäre es der Klägerin gem. § 242 BGB verwehrt, diesen Anspruch vorliegend klageweise durchzusetzen, da sie sich rechtsmissbräuchlich weigert, die Nachbeurkundung des Kaufvertrags vorzunehmen und ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag zu erfüllen. Der Verweis auf das hiesige Verfahren geht vollumfänglich fehl. Die Klägerin ist bereits seit fast 6 Jahren im Verzug mit ihrer Leistungspflicht, während die Beklagten jederzeit zur Leistung der Kaufpreiszahlung bereit waren. Streitigkeiten über ein zwischenzeitliches Nutzungsverhältnis stehen hiermit in keinem Zusammenhang.
4. Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen
Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an, weil die Beklagten gegen die klägerischen Ansprüche wirksam mit Gegenansprüchen auf Schadensersatz wegen Verzug mit der Erfüllung des Kaufvertrags gem. §§ 433, 311b, 280, 286, 249 BGB aufgerechnet haben. Denn ihnen sind hierdurch seit April 2018 Finanzierungskosten in Form der monatlichen Vorhaltekosten in Höhe von 295,00 € entstanden.
Die Beklagten haben diesen Anspruch in Höhe von insgesamt 12.950,50 € durch Vorlage der Finanzierungsbestätigung sowie der Bereitstellungszinsbescheinigung der …Bank schlüssig dargelegt. Dem konnte die Klägerin nicht durch schlichten Bestreiten begegnen, insbesondere nicht mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO. Denn sie konnte und musste diese Informationen selbst erlangen, was ein solches Bestreiten ausschließt. Dass eine Finanzierung und ein Darlehensauszahlungsanspruch bestehen, konnte sie von der …Bank bereits deshalb in Erfahrung bringen, weil der Kaufvertrag in Nr. 4 eine unwiderrufliche Anweisung der Beklagten beinhaltet, den Kaufpreis an die Klägerin zu zahlen. Daher war diese insoweit für die Erfüllung leistungsbestimmungs- und somit auch auskunftsberechtigt. Hinsichtlich der Höhe der Bereitstellungszinsen ist die Klägerin der Beklagten seit Fälligkeit mangels Herstellung der Fälligkeitsvoraussetzungen schadensersatzpflichtig, so dass sie diese Informationen bereits zu diesem Zeitpunkt hätte verifizieren können und auch müssen. Dieses Versäumnis kann sie nicht nunmehr im Prozess für sich nutzen, um die Beklagte durch Bestreiten mit Nichtwissen in die Beweislast zu bringen.
Die Beklagten müssen sich auch kein „Mitverschulden“ gem. § 254 BGB bei der Schadensentstehung entgegenhalten lassen, weil sie die Bereitstellung des Darlehens zur Kaufpreiszahlung bereits zum 1.4.2018 herbeigeführt haben.
Es ist selbstverständlich, dass der Käufer zunächst die Kaufpreisfinanzierung sichert und sich danach vertraglich bindet, anstatt umgekehrt. Das auch und gerade im Hinblick auf die kurze Zeitspanne zwischen dem Vertragsschluss und der frühestmöglichen Fälligstellung des Kaufpreises. Spätestens zum Fälligkeitstermin am 1.4.2018 mussten die Beklagten das Darlehen zur Auszahlung bereithalten.
Es ist auch nicht ersichtlich, worauf die Klägerin hier überhaupt abstellt, wenn sie von einer ausreichenden Finanzierungsbestätigung spricht. Eine Finanzierungsbestätigung bedeutet auch nicht, dass eine solche nicht bereits vertraglich vereinbart worden sei, sondern beinhaltet in der Regel vielmehr, dass diese gesichert sei (Merkel/Richrath in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch 6. Auflage 2022 § 77 Rn. 133), wobei sogar fraglich ist, jedoch überwiegend abgelehnt wird, ob dem Begünstigten hieraus ein eigener Anspruch entsteht (BeckOGK/Albers, 1.1.2024, BGB § 781 Rn. 114 f. mwN). Ob die Bank eine solche Bestätigung für bestimmte oder potenzielle Dritte ohne Finanzierungsabschluss überhaupt abgibt, obliegt ihrer eigenen Entscheidung und wird unterschiedlich nach Kunde und/oder Transaktionsart gehandhabt. Was die Klägerin wohl meint, ist eine Finanzierungszusage. Unabhängig davon entspricht es der verkehrsüblichen Sorgfalt eines Erwerbers, seine Finanzierung vor Vertragsunterzeichnung abzusichern, eine Obliegenheitsverletzung gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB kann hierin nicht gesehen bzw. dieser entgegengehalten werden, wenn der Verkäufer den Vertrag aus Umständen, die seinem Risikobereich unterfallen, nicht erfüllen kann.
Warum die Darlehenszinsen von den Bereitstellungszinsen abzuziehen sein sollen, ist ebenfalls nicht ersichtlich, da es sich um gänzlich unabhängige Kostenarten handelt.
Die Beklagten sind mit der Geltendmachung dieses Anspruchs auch nicht ausgeschlossen. Die Vereinbarung vom 16.3.2018 ist wegen Sittenwidrigkeit, jedenfalls aber mangels Beurkundung gem. § 311b BGB nichtig. Sie wäre aber auch ansonsten unwirksam, da es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung zu dem Mietvertrag handelt.
Grundlage der Vereinbarung vom 16.3.2018 ist der Abschluss des Mietvertrags, weil die Voraussetzungen für die Kaufpreisfälligkeit nicht vorliegen und daher der wirtschaftliche Besitzübergang, der auch den tatsächlichen einschließt, nicht eintritt. Der Schadensersatzverzicht ist lediglich eine Bedingung dieses Vertrags (im Gegenzug).
Es handelt sich auch um eine allgemeine Vertragsbedingung. Das Gericht hat das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen und deren Wirksamkeit nicht auf eine Parteieinrede hin, sondern von Amts wegen festzustellen. Vorliegend handelt es sich um einen Verbrauchervertrag iSd § 310 Abs. 3 BGB sowie einen Vertrag zwischen einen Verbraucher und einem Gewerbetreibenden iSd Art. 2 lit. a) und b) der EU-Klausel-Richtlinie RL 93/13/EWG. Damit hat das nationale Gericht von Amts wegen durch eigene Nachforschungen und Vervollständigung der Akte sowie Anforderung von Informationen und Unterlagen festzustellen, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie insgesamt eröffnet ist, also eine Vertragsklausel iSd Art. 2 lit a.) RL 93/13/EWG vorliegt. Die Beibringungsgrundsätze der Prozessordnungen der Mitgliedstaaten werden insoweit überlagert (EuGH (Neunte Kammer), Urt. v. 7.12.2023 – C-140/22 – SM ua/mBank S. A., NZM 2024, 157 [158]; EuGH (Dritte Kammer), Urteil vom 11.3.2020 – C-511/17 – L./UniCredit-Bank Hungary Zrt), EuZW 2020, 673 [675]; EuGH (Große Kammer), Urteil vom 9. 11. 2010 – C-137/08 – VB Pénzügyi Lízing Zrt./Ferenc Schneider, EuZW 2011, 27; unzutreffend daher hinsichtlich der Grenzen unionsrechtlicher Vorgaben für die Gerichte zur Feststellung missbräuchlicher Klauseln BGH Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 43/23, BeckRS 2024, 4104 – Behandlung des AGB-Rechts als Einwendung statt Einrede reiche aus).
Das führt vorliegend dazu, dass es sich bei der Verzichtsvereinbarung um eine Vertragsklausel iSd Art. 3 RL 93/13/EWG bzw. allgemeine Geschäftsbedingung iSd § 305 BGB handelt, auch wenn die Klägerin persönlich angehört erklärt, eine solche noch nie verwendet zu haben.
Denn hierauf kommt es ohnehin nicht an, weil auch die Erstverwendung ausreichend ist, so davon ausgegangen werden kann, dass dieses auch zukünftig in gleichgelagerten Fällen erfolgt. Maßgeblich ist, ob die Vereinbarung von der Klägerin gestellt, also vorformuliert wurde. Das ist fraglos zu bejahen, weil diese alle Anscheinsvoraussetzungen einer Klausel erfüllt. Sie begünstigt die Klägerin einseitig, ist abstrakt formuliert und kann auf jeden anderen gleichgelagerten Fall übertragen werden (zur Klauselbestimmung durch das Gericht vgl. Artz/Börstinghaus AGB in der Wohnraummiete 1. Aufl. 2019 A Rn. 135 f.; Zehelein in Beck’scher Online-Kommentar BGB; Hrsg: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 63. Ed. 1.11.2023, BGB § 535 Rn. 236 f. jew. mwN). Dass die Klägerin hier jedenfalls schon mehrfach vermeintlich vergünstigte Verträge abschließt oder abschließen will, weil es zu Verzögerungen bei dem Vollzug des Kaufvertrags kommt, ergibt sich aus der Regelung § 17 des Mietvertrags (Bl. 17 d.A.). Denn dort ist eben dieser Fall bereits aufgeführt, und das als Regelung eines Abs. 1 während der Abs. 2 das Aufstellen von Heizung und Trocknern regelt. Der vorliegende Fall ist also in keiner Weise eine Ausnahme, welche ggf. an den Schluss des Vertrags angehängt worden wäre, sie ist bereits in diesen Vordruck integriert. Damit greift die Vermutungswirkung auch für die sonstigen Vertragsbedingungen des Mietvertrags, unabhängig davon, ob sie in diesem selbst oder separat in der Vereinbarung aufgeführt sind.
Auf der Ebene des nationalen Rechts folgt die Vermutung des Stellens zudem aus § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.
Die Klausel stellt einen unzulässigen und damit insgesamt unwirksamen Haftungsausschluss gem. § 309 Nr. 7 BGB dar, zumal sie auch für zukünftige Schäden gilt. Sie ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil die Beklagten durch den vollständigen Ausschluss ihrer Rechte bei Verzug der Klägerin fraglos unangemessen benachteiligt ist. Gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind in die Wertung zudem auch die Umstände des Vertragsschlusses einzubeziehen, die hier ebenso fraglos zur unangemessenen Benachteiligung aufgrund der Drucksituation führen, in der sich die Beklagten bei Unterzeichnung der Vereinbarung befanden.
Da es sich um eine Klauselunwirksamkeit nach Art. 7 RL 93/13/EWG handelt, scheidet die Ersetzung einer hierdurch auftretenden Lücke der Vereinbarung vom 16.3.2018 (so man eine solche überhaupt annehmen würde, nachdem die Nichtigkeit auf den Mietvertrag durchschlägt) durch Anwendung von Vorschriften, die Grundsätze von Treu-und-Glauben beinhalten, also insb. §§ 157, 242 BGB, aus (EuGH (Neunte Kammer), Urt. v. 8.9.2022 – C-80/21, C-81/21, C-82/21, NZM 2022, 838 [843]; EuGH (Dritte Kammer), Urteil vom 3.10.2019 – C-260/18 – Dziubak u.a./Raiffeisen Bank International AG, prowadzący działalność w Polsce w formie oddziału pod nazwą, EuZW 2020, 246).
Den Beklagten ist die Aufrechnung auch nicht nach § 7 des Mietvertrags untersagt. Abgesehen davon, dass dieser ohnehin wegen Sittenwidrigkeit und mangelnder Beurkundung nichtig ist, verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie eine Aufrechnung mit vertragsfremden Ansprüchen zur Abwendung einer zahlungsverzugsbedingten Kündigung nicht zulässt (Zehelein in Westphalen, Graf von/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Werkstand: 49. EL März 2023 Rn. 134). Zudem erfolgte jedenfalls die Prozessaufrechnung mit der Klageerwiderung zu einem Zeitpunkt, als der Schadensersatzanspruch bereits entscheidungsreif war.
Damit ist der Anspruch der Klägerin auch im Übrigen durch Aufrechnung erloschen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO, wobei die Klageforderungen sowie die zur Hilfsaufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche in Höhe des verbleibenden Wertersatzes zu addieren sind.
AG Hanau Urteil – 15.03.2024 32 C 243/21
project TitleBusiness Agency
ClientMahi Al Rabbi
StatusComplete
Category
Date05 August 2019
Value$500