Familienrecht – Versorgungsausgleich: Kein Versorgungsausgleich bei Geringfügigkeit – Neue Geringfügigkeitsgrenze
Das Familienrecht ist ein weitreichendes und komplexes Rechtsgebiet, das unter anderem die finanziellen und rechtlichen Aspekte nach einer Scheidung regelt. Eines der zentralen Themen, das Ehegatten nach der Auflösung ihrer Ehe betrifft, ist der Versorgungsausgleich. Dieser sorgt dafür, dass die während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften und Altersvorsorgeansprüche fair aufgeteilt werden, um eine wirtschaftliche Ungleichbehandlung der Partner zu vermeiden. Mit der neuen Geringfügigkeitsgrenze im Versorgungsausgleich hat sich jedoch ein wichtiger Aspekt des Familienrechts geändert, der für viele Betroffene von großer Bedeutung ist.
1. Was ist der Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich regelt die Aufteilung von während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften. Ziel ist es, sicherzustellen, dass beide Ehepartner nach der Scheidung nicht mit einer ungleichen Altersvorsorge zurückgelassen werden. Insbesondere geht es hierbei um:
Gesetzliche Rentenversicherungen: Hierzu gehören die Beiträge, die während der Ehe in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurden.
Betriebliche Altersvorsorge: Dazu zählen Rentenansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung, die ein Ehepartner während der Ehe erworben hat.
Private Rentenversicherungen und Lebensversicherungen: Private Vorsorgeprodukte, die während der Ehe abgeschlossen oder angespart wurden.
Der Versorgungsausgleich soll sicherstellen, dass diese Ansprüche gerecht zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden. Im Allgemeinen erfolgt dies durch die Übertragung von Rentenanwartschaften von einem Ehepartner auf den anderen, sodass beide im Alter finanziell abgesichert sind.
1.1 Der Ablauf des Versorgungsausgleichs
Der Versorgungsausgleich wird in der Regel im Rahmen der Scheidung durchgeführt. Zunächst wird ermittelt, welche Anwartschaften während der Ehezeit von beiden Ehepartnern erworben wurden. Hierbei werden alle relevanten Versorgungssysteme (gesetzliche Rente, betriebliche Altersvorsorge, private Rentenversicherungen usw.) berücksichtigt. Die ermittelten Werte werden dann durch das Familiengericht aufgeteilt, wobei in der Praxis häufig eine Anwartschaftsteilung erfolgt: Der Ehepartner, der in der Ehe höhere Rentenansprüche erworben hat, überträgt einen Teil dieser Anwartschaften auf den anderen.
Der Versorgungsausgleich betrifft nicht nur gesetzliche Rentenansprüche, sondern auch private und betriebliche Altersvorsorgeansprüche. Auch wenn beide Partner in einer anderen Art von Altersvorsorge investiert haben, wird der Versorgungsausgleich entsprechend berücksichtigt.
2. Die Bedeutung der Geringfügigkeitsgrenze
Ein wichtiger Aspekt des Versorgungsausgleichs ist die Geringfügigkeitsgrenze, die nunmehr eine wichtige Rolle im Familienrecht spielt. Die Geringfügigkeitsgrenze legt fest, ab welchem Betrag ein Versorgungsausgleich überhaupt durchgeführt wird. Liegen die Rentenanwartschaften eines Ehepartners unter dieser Grenze, entfällt der Anspruch auf den Versorgungsausgleich.
2.1 Die alte Regelung: Kein Versorgungsausgleich bei Geringfügigkeit
Früher war es so, dass bei sehr geringen Rentenanwartschaften der Ausgleich nicht vorgenommen wurde. Das hatte den Hintergrund, dass bei minimalen Anwartschaften der Aufwand und die Kosten eines Versorgungsausgleichs im Verhältnis zu dem Nutzen zu hoch waren. Dieser Ansatz führte dazu, dass in vielen Fällen der Versorgungsausgleich gar nicht oder nur mit sehr geringen Beträgen durchgeführt wurde.
2.2 Einführung der neuen Geringfügigkeitsgrenze
Mit der Einführung der neuen Geringfügigkeitsgrenze hat sich diese Praxis geändert. Die Geringfügigkeitsgrenze wurde so angehoben, dass nur noch dann ein Versorgungsausgleich stattfindet, wenn die Rentenanwartschaften eines Ehepartners einen bestimmten Mindestbetrag überschreiten. Diese Grenze liegt inzwischen bei 2.000 Euro. Das bedeutet, dass der Versorgungsausgleich nur dann durchgeführt wird, wenn die Rentenanwartschaften des Ehegatten, der weniger Ansprüche erworben hat, mindestens diesen Betrag erreichen.
Ziel dieser Änderung war es, den bürokratischen Aufwand zu verringern und die Kosten für den Versorgungsausgleich in Fällen mit sehr niedrigen Rentenanwartschaften zu reduzieren. Durch die neue Geringfügigkeitsgrenze wird verhindert, dass geringe Ansprüche, die praktisch kaum Auswirkungen auf die spätere Rente haben, unnötig aufwendig ausgeglichen werden müssen.
3. Warum wurde die Geringfügigkeitsgrenze eingeführt?
Die Einführung der Geringfügigkeitsgrenze hatte mehrere Ziele, die sowohl den rechtlichen als auch den praktischen Aspekt des Versorgungsausgleichs betreffen:
3.1 Entlastung der Gerichte und Verwaltung
Einer der Hauptgründe für die Einführung der Geringfügigkeitsgrenze war die Entlastung der Gerichte und der Verwaltung. Bei sehr niedrigen Rentenansprüchen war der Aufwand für die Durchführung eines Versorgungsausgleichs häufig unverhältnismäßig hoch. Es gab zahlreiche Fälle, bei denen der tatsächliche Nutzen des Versorgungsausgleichs für den betroffenen Ehepartner nahezu null war, da der Ausgleich nur minimale Zahlungen zur Folge hatte.
3.2 Reduktion von Bürokratie und Kosten
Ein weiterer Grund für die Einführung der Geringfügigkeitsgrenze war, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs mit hohen administrativen und finanziellen Kosten verbunden war. Besonders bei kurzen Ehen oder Ehen mit niedrigen Rentenanwartschaften war der Aufwand häufig sehr hoch, während der tatsächliche Nutzen für die Ehegatten in vielen Fällen vernachlässigbar war. Diese Regelung soll auch eine unnötige Belastung für beide Parteien und für das Gerichtssystem verhindern.
3.3 Minimierung der Auswirkungen bei niedrigen Ansprüchen
Die Geringfügigkeitsgrenze stellt sicher, dass Ehegatten, die während der Ehe nur sehr geringe Rentenanwartschaften erworben haben, nicht durch den Versorgungsausgleich unbillig benachteiligt werden. Bei minimalen Ansprüchen wäre der Versorgungsausgleich im Grunde genommen eine rein formale Übung, die wenig bis keinen Effekt auf die spätere finanzielle Situation der betroffenen Partei hätte.
4. Ausnahmen und Sonderregelungen
Trotz der Einführung der Geringfügigkeitsgrenze gibt es auch Ausnahmen und Sonderregelungen, die berücksichtigt werden müssen. Es ist wichtig, zu wissen, dass der Versorgungsausgleich unter bestimmten Umständen auch dann stattfinden kann, wenn die Rentenanwartschaften eines Ehepartners unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegen.
4.1 Härtefälle
Im Falle von Härtefällen kann auch bei geringen Rentenansprüchen ein Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Ein solcher Härtefall liegt beispielsweise vor, wenn der benachteiligte Ehepartner während der Ehe erhebliche persönliche und berufliche Einbußen in Kauf genommen hat, um das Wohl des anderen Ehepartners zu fördern oder dessen Altersvorsorge zu sichern.
4.2 Ausgleich von Unterhaltsansprüchen
In manchen Fällen kann der Versorgungsausgleich auch zur Sicherung von Unterhaltsansprüchen dienen. Wenn ein Ehepartner nach der Scheidung auf Unterhaltszahlungen angewiesen ist und dieser Partner keine ausreichende Altersvorsorge hat, kann auch ein Versorgungsausgleich unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze durchgeführt werden, um den Unterhaltsanspruch zu unterstützen.
5. Fazit
Die neue Geringfügigkeitsgrenze im Versorgungsausgleich hat das Familienrecht in Deutschland in vielerlei Hinsicht vereinfacht und modernisiert. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung das Ziel, den bürokratischen Aufwand und die Kosten für den Versorgungsausgleich zu verringern, ohne dabei die Grundprinzipien der Fairness und Gerechtigkeit zu gefährden. Für viele Ehegatten, die nur geringe Rentenanwartschaften erworben haben, bedeutet diese Änderung eine Entlastung, da der Versorgungsausgleich nunmehr nur in den Fällen durchgeführt wird, in denen er einen tatsächlichen Nutzen bietet.
Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelung in der Praxis auswirken wird, insbesondere in Bezug auf die Zahl der Fälle, in denen ein Versorgungsausgleich unterbleibt. Klar ist jedoch, dass der Versorgungsausgleich nach wie vor eine zentrale Rolle im Familienrecht spielt und im Falle von Scheidungen eine gerechte Aufteilung der Rentenansprüche sicherstellen soll.